Ende Januar sendete der Landesjugendkonvent der EKM einen offenen Brief an die Kirchenkreise – mit allerlei Kritik am bisherigen Umgang mit der Jugend und vielen Wünschen für die Zukunft.
Liebe Vertreter*innen der 'erwachsenen Kirche',
liebe Präsides der Kreissynoden, liebe Superintendent*innen
"Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. [...] Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer." (Sokrates)
Wann haben Sie, abseits des Bratwurstrostes beim Gemeindefest, das letzte Mal die JG Ihrer Gemeinde wahrgenommen? Gar nicht?! Hat Ihre Gemeinde überhaupt eine JG? Nicht?! Wirklich nicht? Ist das nicht schade? Wie war das denn, als Sie noch Jugendliche waren? Hatten Sie damals nicht auch Raum, sich in Ihrer Gemeinde selbst zu entfalten? Wie viele von Ihnen haben ihre*n Ehepartner*in in der JG kennen gelernt? Und, können Sie sich erinnern?
Dann können wir ja jetzt anfangen!
Wir wünschen uns, dass Jugendliche möglichst in jeder Gemeinde eine JG oder vergleichbare Jugendgruppe finden, die von ihrer Gemeinde gestützt und gesehen wird. Jugendliche brauchen einen geschützten Raum, in dem sie auch ihre eigenen Erfahrungen machen, Kirche erleben und sich einbringen können. Rein psychologisch gesehen ist es normal als Jugendliche*r am Glauben zu zweifeln und Kritik zu üben. Hierfür braucht es zum Teil einen Abstand von den gewohnten sonntäglichen Gottesdiensten, die in ihrer Form weit von der Lebenswelt junger Menschen abweichen.
Wir wünschen uns, dass jedes Gemeindeglied, egal welchen Alters, eine Gruppe findet. So starten Kinder in Krabbelgruppe, Christenlehre bzw. Kinderkirche und gehen schließlich in den Konfirmand*innenunterricht.
Und danach? Danach muss man, wenn es keine JG gibt, erst wieder selbst Kinder bekommen, musikalisch sein oder als Student*in in eine ESG eintreten. Doch
gerade in der Zwischenzeit, wenn sich Identität bildetet und Fragen auftun, muss
jemand da sein.
Wir wünschen uns, dass für jeden jungen Menschen Jugendmitarbeiter*innen da sind. Diese hören zu, begleiten, stärken und fordern heraus. Somit werden sie zu wichtigen Bezugs- und Vertrauenspersonen außerhalb der Familien und den Schulen.
Sie unterstützen Heranwachsende, mündige Bürger*innen zu werden, die sich in Kirche, Politik und Gesellschaft einbringen. Sie sind zusätzlich Mentor*innen, die Jugendliche in einem non-formalen und informellen Setting befähigen, selbst Gruppen anleiten zu können. Daher wünschen wir uns eine Erhaltung und bestenfalls einen Ausbau aller Jugendmitarbeiter*innenstellen, statt sie zu kürzen.
Im Rahmen von kirchlicher Jugendarbeit bilden sich Kompetenzen und
Verantwortungsbewusstsein junger Menschen in besonderer Weise.
Wir wünschen uns, dass auch Jugendliche aus nicht-konfessionellen Elternhäusern einen Raum finden, in dem sie mit Glauben in Berührung kommen und Glaubenserfahrungen machen können. Gerade für diese ist die JG ein niedrigschwelliger Zugang zu Kirche. Dabei sollte Kirche auch Raum bieten entstaubt zu werden, Ideen zu entwickeln und sich selbst manchmal nicht so ernst zu nehmen.
Wir wünschen uns, dass JGn als verlässliches Setting der Jugendarbeit einer Gemeinde existieren. Hierbei ist es wichtig, die Gruppe nicht einzustampfen, weil nur drei Jugendliche kommen. Für diese drei Jugendlichen kann die JG der einzige Ort sein, an dem sie sich wohl fühlen und ihre Gefühle aussprechen. Ein verlässliches Angebot auch für jungen Menschen, die nur selten Zeit haben zu kommen und doch Teil der Gemeinschaft werden. Für uns gilt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Matthäus
18,20
Wir wünschen uns eine Kirche, die Jugend nicht nur als ihre Zukunft betrachtet, sondern sie als ihre Gegenwart wahrnimmt. Sind wir nicht heute schon vollwertige Mitglieder der Gemeinden? Wir erkennen an, dass wir als Kinder und Jugendliche die Generationen sind, die in Zukunft Kirche prägen werden. Doch damit wir das können, muss man heute in uns investieren und hinter uns stehen. Als junge Generation dieser Kirche fordern wir Sie daher auf …
• … JGn und vergleichbare Jugendgruppen in den Gemeinden bzw.
Regionen zu erhalten, finanziell wie personell zu unterstützen und ihnen ihre eigenen Räume zur Verfügung zu stellen.
• … in Gemeinden und Regionen, in denen keine solchen Gruppen existieren Modelle zu finden, JGn zu gründen. Ein gutes Beispiel für solche Modelle ist die Jugendkirche im Südharz und die hier
angebundene Jugendarbeit der Region.
• … Stellen für Jugendmitarbeiter*innen zu schaffen und nicht zu kürzen.
• … sich der Jugend ihrer Gemeinde zuzuwenden und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, statt sie nur zum Gemeindefest an den Bratwurstrost zu stellen.
Herzlichst grüßt Sie im Namen des Landesjugendkonvents der EKM
Julia Braband
(Vorsitzende des Landesjugendkonvents)
Die Mitteldeutsche Kirchenzeitung "Glaube + Heimat" hat den LJK bei ihrer Frühjahres Vollversammlung in Halle besucht und auch dieses Thema aufgegriffen.
In der Ausgabe vom 10.März 2016 erschien nun der Artikel auf der Titelseite.