Im Falle einer Vermutung von Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist es wichtig, kollegial und nicht allein zu handeln. Ein Notfallplan beschreibt die Verfahrenswege vor Ort, benennt konkrete Ansprechpersonen und Verantwortliche und beschreibt ihre Erreichbarkeit.
Notfallpläne sind allen Mitarbeitenden in ausreichender Form bekannt zu machen.
Der Notfallplan in einem Verdachtsfall läuft gemäß der Durchführungsverordnung nach einem Interventionsleitfaden:
Wir handeln immer nach folgenden Grundsätzen:
- Im Sinne der verletzten Person, zu ihrem Schutz – Beschuldigtenkonfrontation ist nicht Schutzaufgabe!
- Dennoch unvoreingenommen und nicht parteiisch!
- In keinem Fall allein – kein Aktionismus!
- Gemeinsam mit der zuständigen Leitungsposition, einer insofern erfahrenen Fachkraft oder der Meldeperson.
- Nur dann direkt eingreifend, wenn Gefahr im Verzug ist.
- Mit schriftlicher Dokumentation (Verdachtstagebuch), in dem die Situation dezidiert und kleinteilig aufgezeichnet ist.
- Mit Zuhilfenahme einer Vertrauensperson aus dem Team oder der Leitung (im Falle eines Irrtums ist die Rehabilitation einer Person bei zu vielen Involvierten schwer möglich).
Zwischen den Formen sexualisierter Gewalt wird unterschieden:
- Grenzverletzungen werden unabsichtlich verübt und resultieren aus fachlichen bzw. persönlichen Unzulänglichkeiten oder einer „Kultur der Grenzverletzungen“
- Übergriffe sind Ausdruck eines unzureichenden Respekts gegenüber jungen Menschen, grundlegender fachlicher Mängel und/oder einer gezielten Desensibilisierung im Rahmen der Vorbereitung eines sexuellen Missbrauchs/ eines Machtmissbrauchs
- Strafrechtlich relevante Form sexualisierter Gewalt sind „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ (gem. §§ 174 ff. StGB) z.B. sexueller Missbrauch, Erpressung/(sexuelle) Nötigung.
Dazu bedarf es der Einrichtung eines Krisenteams und die verbindliche Beschreibung seiner Zusammensetzung. Unbedingt sollten in dem Krisenteam Personen sein, die verschiedene Perspektiven und Rollen (insbesondere eine Vertretung des Rechtsträgers) einnehmen und sie sollten schon VOR der Krise arbeitsfähig sein. Im Krisenteam ist zu klären, wer für den Kontakt zuständig ist und wann dieser erfolgt.
Grundsätzlich gilt:
- Ruhe bewahren
- Dokumentation der verschiedenen Schritte sicherstellen
- Befangenheiten beachten
- Kinderschutz ist von Anfang an mitzudenken
Im Falle der Vermutung bzw. des Vorwurfs sexueller Übergriffe (strafrechtlich relevant) sind viele verschiedene Personengruppen involviert oder betroffen (Beschuldigte*r, berufliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter*innen, Betroffene etc.). Es ist also wichtig zu unterscheiden und in den Handlungsplänen im Bereich der zuständigen Mitarbeiter*innen Rollen zu klären und zu definieren. Auch kann seelsorgerische Begleitung unter Wahrung der Rollenklarheit hilfreich sein.
Die Kommunikations-, Handlungs- bzw. Interventionspläne des Trägers müssen die Personengruppen berücksichtigen und verbindliche Vorgaben enthalten. Zudem sind juristische Regelungen und mögliche Konsequenzen zu beachten. Juristisch gesehen bestehen Aussagepflichten, Schweigepflichten aber auch Anzeigepflichten.
Grundsätzlich ist es immer einfacher, Konsequenzen umzusetzen, wenn vorher eindeutige, möglichst konkrete Vereinbarungen getroffen wurden (z.B. unterschriebene Selbstverpflichtung, Verhaltenskodex). Unangemessenes Verhalten, Verstöße gegen die Regeln in diesen Vereinbarungen sind dann die Grundlage für die Konsequenzen. Bei beruflichen Mitarbeiter*innen bestehen arbeitsrechtliche Möglichkeiten. In jedem Fall ist ein Erstgespräch erforderlich. Insbesondere bei Ehrenamtlichen kann nach einer einvernehmlichen vorrübergehenden Lösung gesucht werden (z. B. Beurlaubung), um Zeit zu gewinnen. Erhärtet sich die Vermutung sexualisier Gewalt nicht, sind die betroffenen Mitarbeiter*innen zu rehabilitieren.